Gesamten Artikel lesen

zurück...

Brodführer empfiehlt Gründung eines Kompetenzzentrums für Residenzkultur in der Schlösserstiftung

Im Dezember hat die Thüringer Staatskanzlei Kommunen und Gremien den Entwurf einer Gesetzesnovelle bezüglich der „Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten“ (STSG) vorgelegt und Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 21. Januar gegeben. Auch die Stadt Bad Liebenstein, in der sich mit Schloss und Park Altenstein und der Burgruine Bad Liebenstein zwei Stiftungsliegenschaften befinden, nimmt an dem Anhörungsverfahren teil. Bürgermeister Dr. Michael Brodführer (CDU), der sich bereits in der vorangegangenen Debatte um die „Gründung einer Mitteldeutschen Kulturstiftung“ intensiv eingebracht und die Idee eines UNESCO Weltkulturerbe-Antrags stark forciert hat, äußert sich darum erneut.


Kompetenzzentrum für Residenzkultur

Brodführer schlägt vor, ein Kompetenzzentrum mit Forschungs- und Koordinierungsaufgaben in Bezug auf die Thüringer Residenzkultur in der Stiftung zu etablieren:

„Es gibt einen erheblichen Bedarf, die Grundlagenarbeit in Bezug auf unsere Residenzkultur zu bündeln. Die Stiftung sollte die inhaltlichen Aufarbeitungen und die notwendigen Abstimmungen zwischen den für die Residenzkultur relevanten Kulturträgern in Thüringen koordinieren.“

Der bisherige Stiftungszweck ließe dies bereits zu. Hierdurch könnte kurzfristig und unbürokratisch der Fokus auf die inhaltliche Arbeit gelegt und die Zusammenarbeit der Kulturpartner in Thüringen jenseits von Zwang und Misstrauen vertieft werden. Dies wiederum ist Voraussetzung für einen erfolgreichen UNESCO-Welterbeantrag und würde darüber hinaus wertvolle Ergebnisse für die weitere Landesentwicklung hervorbringen, zum Beispiel bei der Zusammenarbeit mit universitären Einrichtungen, bei der anwendungsorientierten Unterstützung für den Bereich der Regional- und Kommunalentwicklung oder im Hinblick auf das Landeskulturmarketing.

Eine schlanke Organisationsstruktur schafft Vertrauen

Die Einführung eines Präsidiums im Sinne eines Präsidenten- und Vizepräsidentenpostens lehnt Brodführer ab:

„Eine schlanke und effiziente Stiftungsführung ist Voraussetzung, um bei den kommunalen und privaten Trägern Vertrauen zu schaffen, ihre Kultureinrichtungen auf die Stiftung zu übertragen“

, so Brodführer. Soweit der Begriff „Präsident“ analog zu anderen Stiftungen gewünscht wird, genügt eine einfache Umbenennung. Der aktuell beabsichtigte „Overhead“ ist der Sachlage unangemessen und trägt nicht zur Vertrauensbildung bei.

Vertrauen wird auch nicht durch die beabsichtigte Änderung in der Zusammensetzung des Stiftungsrates aufgebaut. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb ein Vertreter für museale Belange vom Ministerium benannt werden soll und nicht etwa vom Sachverständigen-Beirat. Ohnehin fehlt es im Stiftungsrat an Vertretern des Sachverständigen-Beirats. Noch wesentlicher ist allerdings, dass mit der neuen Mehrheitsregelung in der beabsichtigten Gesetzesnovelle zukünftig bei allen wichtigen Entscheidungen (u. a. Satzungsänderung, Wahl des Präsidenten und Vizepräsidenten, Wahl der Mitglieder des Sachverständigen-Beirats) die kommunalen Vertreter im Stiftungsrat überstimmt werden können. Dies ist für die kommunale Ebene nicht hinnehmbar.

Eingliederung von Museen und Sammlungen ist fraglich

Grundsätzlich hält Brodführer die Erweiterung des Stiftungszweckes auf die Eingliederung von Museen und Sammlungen aus kommunalen und privaten Beständen für überlegenswert, aber nicht für erfolgsversprechend. Aus welcher Motivationslage heraus die Träger ihre werthaltigen Kulturgüter an die Stiftung geben sollten, wird aktuell nicht deutlich. Bei der Integration von musealen Einrichtungen müssen zudem die inhaltliche Vielfalt und die komplexe Trägersituation in Thüringen berücksichtigt werden. Eine umfangreiche systematische Vorbereitung und intensive bilaterale Gespräche sind notwendig, um die Grundlagen für die beabsichtigte Strukturänderung zu schaffen.

Aktuell bleibt unklar, welche Museums- und Sammlungsträger in Thüringen ihre Einrichtungen auf die Stiftung übertragen werden. Es ist nicht ersichtlich, wie diese Träger künftig angemessen an den Entscheidungen der Stiftung partizipieren können. Ebenso ist nicht bekannt, welche Kostenanteile übernommen werden müssen und welche Anforderungen die Integration auf die zukünftige Finanzstruktur der Stiftung hat. Wie verhält es sich, wenn am Ende nur ein geringer Anteil zu einer Übertragung bereit ist? Hier hätte es vor der Erstellung des Änderungsgesetzes eines umfangreichen Abstimmungsprozesses bedurft:

„Erfolgreiche Kulturpolitik zeichnet sich dadurch aus, dass zunächst über die Inhalte eine Einigung gefunden wird und erst danach Strukturen festgelegt werden“,

so Brodführer.

Ohne diese inhaltliche Vorarbeit werde die neue Stiftungsstruktur übereilt in Gesetzesform gegossen, befürchtet Brodführer. Die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten würde zwar personell und organisatorisch erweitert. Sollte aber die kommunalen und privaten Träger nicht oder nur mäßig bereit sein, ihre Museen und Sammlungen zu übertragen, würde die Stiftung mit einer überladenen Organisationsstruktur gleich einer Schimäre zurückbleiben. Ein Vorankommen mit Blick auf Thüringer Residenzkultur ist unter solchen Vorzeichen nicht zu erwarten.

„Ich bedaure sehr, dass die Chance für eine Weiterentwicklung unserer Schlösserstiftung mit dem vorliegenden Änderungsgesetz vertan wird. Auch wird es nicht zu einem konstruktiven und erfolgversprechenden Prozess zur Erlangung eines UNESCO-Welterbetitels für die Thüringer Residenzkultur beitragen. Dies würde nur gelingen, wenn die Landesebene, die kommunale Ebene, die öffentlichen und privaten Träger unserer Kultureinrichtungen und nicht zuletzt die vielen interessierten Bürgerinnen und Bürger im Freistaat in einem von gegenseitigem Vertrauen geprägten Prozess beteiligt werden würden.“

 

Hintergrundinformationen

Seit mehr als einem Jahr sind Thüringens Burgen, Schlösser und Residenzen im sogenannten „Schlösserstreit“ ein vieldiskutiertes Thema. Um dringend notwendige Investitionsmittel für die Thüringer Schlösser und Gärten vom Bund zu erhalten, sollte gemeinsam mit Sachsen-Anhalt eine Mitteldeutsche Kulturstiftung gegründet werden. Im Mai 2020 hat sich der Bad Liebensteiner Bürgermeister, Dr. Michael Brodführer, in einem offenen Brief an Minister Hoff gewandt. Darin übte er reichlich Kritik an dem von der Thüringer Staatskanzlei vorgelegten Entwurf eines Staatsvertrages über die Errichtung einer „Kulturstiftung Mitteldeutschland Schlösser und Gärten“. Unter anderem bezeichnete er die geplante Großstiftung als einen „bürokratischen Hemmschuh“ und stellte hinsichtlich der Mittelzuwendungen die Alternativlosigkeit einer Stiftungsgründung infrage. Der Kritik haben sich zahlreiche Institutionen, Politiker und Parteien angeschlossen. Im Nachgang hat sich Brodführer konstruktiv in die Debatte eingebracht (Bad Liebensteiner Lösung). Im September 2020 hat er zudem mit dem Bad Liebensteiner Symposium „Thüringer Residenzlandschaft – Vom Kleinstaaterbe zum Welterbe?“ die Idee eines UNESCO-Weltkulturerbeantrags forciert. Mittlerweile wurden vom Bund Investitionsmittel bereitgestellt, ohne dass es der Gründung einer Großstiftung bedarf. Eine Veränderung in der Struktur und Organisation der bestehenden Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten scheint notwendig, darum bereitet die Thüringer Staatskanzlei eine entsprechende Gesetzesänderung vor. Im Zuge dieses Gesetzgebungsverfahrens hatten betroffene Kommunen die Möglichkeit, bis zum 21. Januar zum Entwurf Stellung zu nehmen.

zurück...